
Carpe diem – Nutze (je)den Tag
Es wird Zeit, dass ich mich wieder melde. Fast zwei Jahre habe ich den Blog „vernachlässigt“, was aber auch bedeutet, wie eine Betroffene mir gerade in einer Email schrieb: „…vielleicht haben Sie Ihren Blog und die damit verbundene, herausfordernde Zeit und Gedanken hinter sich gelassen…“
Ja, gut drei Jahre konnte ich die ganze Geschichte hinter mir lassen. Und jetzt tue ich mich schwer, den Blog wieder zu aktivieren. Ich würde so gerne schreiben, es ist alles in Ordnung. Ich möchte weiter Hoffnung machen. Und ich will auch ehrlich sein. Und schon beim Schreiben dieser paar Zeilen, merke ich, wie wichtig dieses Schreiben auch für mich ist. Die Tränen kullern, ich bin wieder da.
Also los: Was ist passiert?
Wir leben ja nun seit gut zwei Jahren auf Sansibar. Es war und ist eine sehr gute Zeit, eine anstrengende Zeit, eine lebendige und intensive Zeit. Es ist nicht einfach, eine völlig neue Existenz in einem (sehr) fremden Land aufzubauen. Wir fühlen uns wohl hier, lieben die Menschen und deren Zusammengehörigkeitsgefühl, die Lebendigkeit und die Farben des Lebens, des Indischen Ozeans und der Natur. Und ja, ich vermisse auch einiges: Unter anderem mal über den Rostocker Wall oder am Hafen spazieren gehen, „mein“ Kühlungsborn und das all sonntägliche Treffen zum Tanzen, mit „Julchen“ segeln und unsere Seminare.
Und natürlich Menschen, wie meine Familie, liebe Freunde, Patienten und Kollegen.
Ich vermisse Umarmungen, die in Deutschland deutlich häufiger waren.
Trotz alledem war die Entscheidung hierher zu kommen, JETZT richtig und gut, da ist kein Zweifel oder „hätte, hätte“.
Und wir haben einen wirklich wunderbaren Heilplatz gefunden. Und dieser Heilplatz hat nun schon seinen ersten Klienten seit einiger Zeit: Mich.
Wie ging es los?
Mitte August letzten Jahres bekam ich komischen Husten und beim Atmen entstand ein pfeifendes Geräusch beim Einatmen. Wir waren gerade umgezogen und dort (noch Baustelle) war jeden Tag massiv Staub. Hab mir also erst mal eine Auszeit genommen und bin für 6 Wochen noch mal ausgezogen, wo kein Staub ist. Es änderte sich nichts. Schon seit 2021 (nach meinem Arbeitsversuch in der Praxis) bin ich ziemlich schlapp und häufig erschöpft, was prinzipiell kein Problem ist, wenn ich meinen Tagesablauf darauf einstelle. Im September stellte sich dann auch ein Gefühl ein, nicht richtig durchatmen zu können. Das Ganze hat mich dann noch zusätzlich geschwächt und hat mich dann mehrere Tage ins Bett gezwungen, mich völlig fertiggemacht und ich bin dann auch zum Röntgen gefahren. Befund: Nichts. Nach Absprache mit einem befreundeten Kollegen hab ich dann trotzdem Antibiotika genommen unter der Verdachtsdiagnose einer Lungenentzündung. Keine Veränderung.
Nächster Schritt: Ich lass mal Blut abnehmen. War auch alles in Ordnung, bis auf den Wert für eine Lungenembolie (D-Dimere), also eine Verstopfung der Lungenarterien. Okay, dachte ich, das passt auch. Nicht gut, aber behandelbar. Und tatsächlich habe ich auf Sansibar eine Poliklinik gefunden, die eine Computertomografie mit einer Gefäßdarstellung (also Kontrastmittel) macht. Diese Untersuchung fand dann im Oktober statt. Der Befund war zunächst niederschmetternd, weil hier der Verdacht auf einen Lungenkrebs geäußert wurde.
So, dann stand natürlich die Frage, was nun tun?
Die Entscheidung fiel eigentlich ziemlich schnell. Ich werde keinen weiteren Schritt in diese Richtung gehen. Keine Abklärung, keine schulmedizinische Therapie, nichts. Es hatte mehrere Gründe. Der Wichtigste war: Ich habe nicht die Kraft und Energie dafür. Meine Erschöpfung und Schwäche würde mich dieses Mal diesen Weg nicht durchhalten lassen. Ich bin zu kaputt dafür. Noch dazu müsste ich dafür von Sansibar aufs Tansania Festland reisen, dort in ein Krankenhaus gehen und nicht wissen, wann ich wieder auf die Insel zurückkehre.
Ich habe hier meinen Heilplatz gefunden und bleibe hier. Nun darf er schon mal zeigen „was er kann“ als Heilplatz. 🙂
D.h. nicht, dass ich NICHTS tun werde. Nur werde ich hauptsächlich den Focus darauf legen, mich zu stärken, mein Immunsystem zu stärken, dem Leben zu vertrauen und natürliche Mittel (unser Heilplatz hat auch jede Menge natürliche Heilkräuter, dazu später mehr) einzunehmen.
Was sind die besten Heilmittel: Lieben, Lachen, Leben. Carpe diem.
Ich gebe keinerlei Energie in den „Befund“, sondern alle meine noch verbliebene Energie in mein Leben. Ins Atmen, in die Freude und die Gelassenheit. Davon brauche ich eine große Portion, denn „nicht richtig atmen können“, ist ein Sch… Gefühl. Bis Ende des Jahres war mein Befinden ziemlich wechselnd, mal hörte auch das Pfeifen auf, mal ging es mir ziemlich gut, dann wieder nicht so. Ich denke, ich kann das alles gut „verarbeiten“ inzwischen. Jedoch geht es einfach an die Grenzen der Kraft. Ich bin einfach fertig. Und nehme es so an, wie es ist
Ende des Jahres bekam ich hohes Fieber, noch mal Antibiotika. Und dann ein paar Tage später hustete ich plötzlich ein größeres Gewebeteil ab. Hier auf der Insel war keinerlei histologische Untersuchung möglich. Meine Mädchen kamen mich gerade im Januar besuchen und so konnte ich es nach Rostock in das Labor verbringen, das auch sonst alle meine Untersuchungen gemacht hat.
Dieser Befund bestätigte zwar nicht den Lungenkrebs, aber bestätigte eine Metastasierung (Absiedlung) meines „alten“ Rektumkarzinoms in der Lunge. Keine Ahnung, was „besser“ wäre und ich beschloss sofort wieder, dort keine Energie, keine Angst und keine Aufmerksamkeit hinzugeben. Vielleicht habe ich auch deshalb so gezögert, diesen Artikel zu schreiben, weil es ja eine Art von Aufmerksamkeit dahin ist. Ich werde ab jetzt auch nur wieder über das LEBEN schreiben. Es ist manchmal nicht ganz einfach, wenn ich nicht richtig atmen kann oder blutigen Auswurf habe. Da hilft nur: Hinsetzen, zur Ruhe kommen, meditieren, Atemübungen machen und still werden.
LEBEN findet immer JETZT statt.
Wie oft stand dieser Satz wohl schon in diesem Blog?
Also, Ärmel hochkrempeln :-), lächeln, (Krönchen aufsetzen) und LEBEN.
Danke, dass Ihr mich weiterhin begleitet und unterstützt.
Ich weiß um Eure guten Gedanken und ich kann sie jetzt wirklich gut gebrauchen.
Ich freue mich auf ein neues Stück gemeinsamen Weges.
Und ich habe eine Bitte: Diese Zeilen werden viele betroffen machen, sie werden vielleicht Angst, Traurigkeit und Resignation hervorrufen. Welchen Wolf in uns wollen wir füttern? Lasst uns zum Wohle aller Beteiligten Dankbarkeit, Lebensfreude, Demut und Mitgefühl teilen.
Und allen, die gerade ähnliche Herausforderungen zu bewältigen haben: Du bist nicht allein!
Triff Deine Entscheidungen mit einem ruhigen Herzen, mit Vertrauen ins Leben und dem Wissen, dass Du Dich morgen auch anders entscheiden kannst. Es gibt kein Richtig oder Falsch.
Es gibt nur JETZT.
PS: Im nächsten Artikel werde ich dann mal wieder berichten, womit ich mir wieder Unterstützung und meine „Therapie“ hole.
PPS: Es gut mir gut nach dem Schreiben dieses Artikels. Er war nötig….
Liebe Susanne in der Ferne und mit deinen Zeilen doch wieder nah.
Danke, dass du (auch) mich an deinem Prozess teilhaben lässt.
Deine Beschreibung über deine Abwägungen und der Beantwortung der Frage „Worum geht es MIR?“ berühren mich und sind mir gleichzeitig Bestätigung, dass es wohl die zentrale Frage ist, die einer Antwort bedarf. Vor allem, zu lesen, dass es Gelingen kann, die LEBENSqualität im Blick und im Herzen zu behalten. Das wirkt sehr bestärkend auf mich.
Für mich ist es Ausdruck „sich die Autonomie (Würde) zu bewahren“. Ich wünsche dir in diesem Prozess weiterhin diesen kräfte- und qualitätsorientierten Umgang und stets den passenden Ort dafür. Carpe Diem … carpe momentum.
Herzliche Grüße aus Berlin
Michael
Lieber Michael,
danke für Deine lieben Worte.
Ja, es ist eine spannende Abenteuerreise.
Und ja, ich hatte das Gefühl schon ganz zu Anfang im Oktober, wenn ich mich dieses Mal für den schulmedizinischen Weg entscheiden würde, wäre es ein Aufgeben meiner Würde, meiner Hoffnung, meines Lebens (an andere). Ein Aufgeben meiner Selbstwirksamkeit.
NIEMAND kann uns sagen, wie lange wir zu leben haben (Quantität), jedoch die Lebensqualität, die bestimmen wir (mit).
Danke für (auch) Deine Begleitung.
Verbundenheit ist überhaupt das, was wir Menschen gerade brauchen.
Alles Liebe
Susanne
Hallo Liebe Susanne
Ich kann dir nur von Herzen ♥️ alles Glück 🍀 wünschen und vor allen viiiiiel Kraft , ich bin mit meiner Frau zur Zeit in Italien um weiter am Leben teilzunehmen bis auf das verrückte Verhalten meines Darms (13.Woche RV)geht es mir ganz gut (glaube ich zumindest, da ich manche Tage verfluche weil sie nicht so laufen wie ich will ) aber man sagt die Hoffnung stirbt zuletzt! Diese Zeilen die gerade von dir gelesen habe sind natürlich nicht das was man sich vom Leben erhofft ….aber ändern lässt es sich nun mal nicht …ich kann von mir selbst sagen ich bin frei , aber es stellt sich die Frage wie lang ….deshalb ….“Stand Up an Fight „ so lange du diese Dinge die Du die letzten Jahre genossen hast weiter zu genießen Ich bin in Gedanken bei Dir ….ich bin gespannt was Du hier im Blog berichtest wie es weiter geht viele Liebe Grüße aus Ravenna Italien
Liebe Susanne. Dein You Tube Blog hatte mich 2022 als ich die Not Op mit Stoma hatte, sehr bewegt. Später Rückverlegung, dieses Jahr noch bekam ich auch noch die Schilddrüse raus. Wegen Krebs. Deine Mutmachvideos haben mich immer wieder aus den vielen depressiven Löchern rausbekommen. Traute mich nicht dir zu schreiben. Nun will ich dir herzlich danken und betefür dich das es dir sehr bald besser geht. Ich schicke dir viel Wärme, Kraft , und viele liebevolle Umarungen. Durch deine Motivationsbloecke, finde ich mich in mir immer mehr. Was ich vor der Stoma Op nicht konnte, als nur verdrängen und wegrennen und überleben , statt zu leben. Ich schicke dir einen Regenbogen mit viel Lebensfreude, Urvertrauen , Sicherheit, du kannst noch viel machen, mit Geduld und Spucke. Du schaffst das. Ich bin im Gebet bei dir.
Liebe Marion, danke für Dein Gebet, Deine Motivation und guten Wünsche für mich.
Ich freue mich sehr, wenn der Blog auch nur einem Menschen zu mehr LEBEN verholfen hat.
Wir leben kein persönliches LEBEN, sondern sind verbunden mit allem und allen.
Es ist ein Trost zu wissen, dass wir aus diesem Grund auch kein LEBEN verlieren können, sondern gehen nur auf in ALLEM.
Danke für Deine Begleitung, danke für Dich.
Liebe Susanne,
als ehemalige Patientin und große Wertschätzerin deiner tollen Persönlichkeit und als Ärztin möchte ich Dir alle Energie und Kraft, weitere Zuversicht und Heilung wünschen und das von ganzem Herzen. Du hast uns auch mit deinen immer zur richtigen Zeit gesprochenen Worten und Übungen Rückhalt und Ruhe gegeben und noch viel mehr. Immer wieder sage ich Dir vielen Dank dafür. Du bist so ein wunderbarer Mensch, dem ich nur das Allerbeste vom Besten wünsche. Ganz liebe Grüße aus Rostock von Silke.
Liebe Silke,
danke auch für Deine lieben Worte und Unterstützung.
Ja, ich selbst vermisse unsere gemeinsamen Abende und Begegnungen auch.
Wir sind gerade am Planen, auch hier einen Heilungsabend wieder einzuführen.
Hat ganz schön lange gedauert, aber jetzt wird es Zeit.
Ich denke wirklich oft an unsere Übungen, um mich selbst zu erinnern.
Liebe Grüße
Susanne
Hallo Susanne. Ich muss mich jetzt tatsächlich mal melden. Ich war stille Mitleserin die ganze Zeit. Rectum CA 2020.Vor der grossen Op 5Wochen Besrahlungen und Chemo. Anlage Stoma für 10 Monate . Nach der Op 6Zyklen Capecitabine. Dein Blog hat mir sehr geholfen.Vor allen Dingen der Blog zur RV OP. Es ist alles sehr durcheinander.Man probiert viel aus,aber es wird halt nicht mehr ganz so. Das mit der fehlenden Kraft kann ich nur bestätigen. Ich hoffe sehr das du es gut schaffst deine Kräfte jetzt einzuteilen und das alles gut wird. LG R.Stellbrink
Liebe Regina,
danke für Deine Nachricht und schön, dass der Blog Dir geholfen hat.
So wie bei einem der letzten Kommentare erinnerst Du mich, dass ich mich mal wieder melden sollte.
Danke für Deine guten Wünsche. Diese haben MIR sehr geholfen.
Alles Liebe
Susanne
Liebe Susanne,
heute bin ich seit langer Zeit wieder auf deinem Blog gelandet und habe nach der langen Pause die letzten 2 Einträge gelesen. Und ja, ich bin bestürzt, traurig und irgendwie verängstigt, möchte ich doch glauben, dass die Krankheit der Vergangenheit angehört und nie wiederkommt. Gleichzeitig spüre ich eine Gelassenheit, Ruhe und Zuversicht durch die positiven Dinge in deinem jetzigen Leben, die irgendwie tröstlich und beruhigend wirken. Ich kann deine Entscheidung so gut verstehen und wünsche dir, dass du diese innere Kraft festhalten kannst und dir selbst und deinen Lieben die gemeinsame Zeit schenken kannst. Alles Liebe, Eva-Marie